2009-12-05 12:40
dover

seine reise fand ein jähes ende. er wusste es sofort als es geschah. wie ein schmetterling, der durch die gamaschen noch das sonnenlicht sieht, weiß daß er schon gefangen ist, wusste er: hier nun würde es enden.

so lange sommer waren es gewesen. so unerbittliche, lange und unendliche winter. auf der suche nach dem gral hatte er geglaubt nichts scheuen zu dürfen. keine entfernung hat zuweit sein gedurft, kein berg zu hoch, keine wüste zu trocken, kein meer zu tief. die üblichen klischees eben. überhaupt kam er sich nicht selten vor wie die hauptrolle des krassesten abenteuerfilms aller zeiten. zum auf die schulter klopfen. zum weitermachen.
er wusste nicht mehr um die beschaffenheit seines ersehnten. sein gral hatte sich inzwischen zu oft gewandelt. als er losging war es die alles vereinende religion, die zu finden können er geglaubt hatte. auf den ersten reisen wandelte sich diese manchmal in kleine gegenstände, dem historischen gral ähnlich. als er nach ein paar jahren eine zeit auf feuerland blieb ohne an eine weiterreise zu denken, wandelte sich der gral in eine wunderschöne frau, die schönste und strahlendste frau, der er je begegnet war. weil er glaubte noch nie so tief beeindruct worden zu sein und wohl nie wieder so tief empfinden können würde für einen anderen menschen, brach er alle zelte - im tatsächlichen, nicht übertragenen, sinne - ab, an dem morgen an dem er sein bett leer vorfand. denn er hatte es geahnt, es hatte wie heißes eisen seit ihrer begegnung unter seiner haut gelegen und ihn versucht zu warnen, daß sie eines tages weg sein würde.
aber er hatte den gral gesehen, er hatte seine polierte bauchige schale berührt, hatte aus ihm den köstlichsten nektar getrunken, den er sich nicht einmal vorzustellen vermochte. nicht einmal zu erinnern. es gab für ihnen keinen grund mehr, wie irr durch die welt zu reisen oder den hinweisen auf das eine oder andere heilige gebrauchtum zu irgendwelchen entlegenen orten zu folgen. keine neuen sprachen mehr mühsam lernen um altüberlieferte schriften tatsächlich selbst zu verstehen. der gral sprach seine sprache. er bedurfte keiner interpretationen und würde keine querverweise bieten, die wieder zu anderen gegenständen führen würden. nein, der gral hatte jetzt eine form und eine farbe. einen geruch und ein licht, das noch leuchtete, obwohl sie inzwischen längst kilometerweit weg sein musste. und deshalb machte er sich keine sorgen. er wusste es in seinem tiefsten inneren: wer einmal aus ihm trank, würde ihn nicht vergessen und immer wissen wo er sich befand.
er fuhr. er lief. er buchte flüge. er heuerte auf schiffen an. und manchmal gab es auch halbjahres jobs an einem ort anzunehmen. er wusste immer was zu tun war um ganz dicht hinter dem gral zu bleiben. manchmal sah er sie, für kurze augenblicke, die ihn den mut und die kraft nicht verlieren ließen, spürte nicht nur um die tatsächliche nähe und die richtigeit seiner entscheidung. manchmal sah sie ihn sogar an. doch er wusste, daß es an ihm war ihr zu folgen, an ihr zu führen. einmal war sie auf ihn zugegangen. er hatte sich nicht bewegt, denn zurückgehen war keine seiner optionen. und sie hatte sein gesicht gestreichelt. und in diesem augenblick durchlebte er alle zeit seit dem aufbruch seiner suche noch einmal. und er dachte "nun dauert sie schon doppelt so lang". und in ihren augen sah er sein jugend, die vergangen war, und seine zukunft, die schon geschrieben stand. und er verbeugte sich in danbarkeit.

die kabine wurde ihm zum gefängnis. sie befand sich nicht nur in der mitte des schiffes, sondern war eine kleine klokabine aus deren mitte nun ein fluß entsprang. hier also endet es nun. in der bucht von dover. bei einer stinknormalen überfahrt des ärmelkanals. nicht im himalaya, nicht in den flüssen amazoniens, nicht in den wolken perus, nicht unter dem eis der antarktis, nicht in den vulkanen indonesiens.

"als ich aufwachte, lag ich im krankenhaus. keiner kannte mich, ich kannte keinen. aber ich wusste die große suche war vorbei." er räusperte sich und stopfte sich eine neue pfeife. "natürlich war die suche ansich schon in feuerland beendet gewesen. doch war das bedingungslose folgen die grundlage für das tatsächliche finden. nur so konnte es ein wirliches ende haben."
ich schaute kurz zu der lächelnden alten neben ihm, die mir heute morgen das beste english breakfast meines bisherigen lebens bereitet hatte, und er verstand den blick.
"nein, sie ist es nicht." doch ihr beider lächeln blieb.

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update: 2015-11-13 12:20 

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