2010-05-10 14:25
passanten
auf einer der üblichen parties, mit den üblichen nachschubproblemem gegen vier uhr, sitzt sie plötzlich neben ihm auf der couch. die musik tönt wie immer etwas zu laut aus dem flur bis in die hinterste küchenecke und die paare am gegenüber des von bierflaschen, leeren tabakpackungen und noch halbgefüllten rotweinbechern mit schwimmender kippe obenauf überfüllten tisches steuern ihren teil zum morgendlichen tinitus bei. und er sitzt und grinst mit dem ganzen gesicht ob ihres zufälligen treffens nach so langer zeit, heute und hier. sie schlägt ihn sanft immer wieder auf die recht schulter, weil mit der linken hand eine stange zuversicht nach der anderen geraucht wird, und erzählt in seltsamen rätseln anekdoten, die beide irgendwie verbinden sollten, seit ihrem letzten treffen, an das er sich überhaupt nicht mehr erinnern kann.
dies sagt er ihr auch mehrfach. schon bevor sie ihn mit überraschung im gesicht, als er noch im flur stand und sie an ihm vorbei zur toilette gehen wollte, ohne ein wort wild umarmte und gar küsste. schon im ersten blick erinnerte er sich an ihr gesicht, an ihre art zu reden, an ihren duft und die art wie sich berührungen zwischen ihnen anfüllten. nur nicht ihr name oder irgendein zusammenhang, wann sie sich, damals vor drei jahren, wo und wie getroffen hatten. die nähe im gespräch und der beeinhalteten themen unterstreicht die gefühlte tiefe, die sie geteilt hatten und wohl noch immer mit sich tragen, aber in seinem kopf gähnt ein riesiges schwarzes loch rationalen erkennens. sie glaubt ihm nicht. auf dem balkon ist es ruhig. die schmale sichel seiner nächtlichen hoheit ist schon zur hälfte in dunkles blau getaucht. es ist spät. und er dreht sich um für den weg nach hause. da, endlich, fast sie sich ein herz und fragt ihn, ob er wisse wie spät es ist. er fühlt die chance einer nacht, in der er nicht das zweite kopfkissen umarmt und sich in den schlaf wimmert, stoppt in der halben drehung und kehrt zurück, den blick zum horizont gestreckt. naturmännisch schätzt er den stand des mondes und die aufkommende helligkeit, nennt ihr die erdzeit um sie zum schluß in die hochtechnologisierte, aber ver-rückte, europaweite sklavenzeit des sommers umzurechnen. sich selbst am meisten beeindruckend senkt er den blick um in ihre augen zu sehen. die suchen jedoch schon in der handtasche nach dem handy um seine berechnung mit erstauntem ausruf zu bestätigen. fast auf die minute genau. er lächelt. die haare sind schwarz und der ponnie akkurat geschnitten. die lider nur ein wenig geschminkt blicken die augen hell, fast leuchtend, in freudiger erwartung, nachdem sie sich nun doch mutig gezeigt hatte, in die seinen. groß und dunkel. und voller unbekannter lust. die hände in den taschen einer viel zu kleinen jacke steht er still und lauscht den geräuschen einer erwachenden stadt. sie kichert ein wenig und bittet ihn sich zu setzen. er tut dies gern, doch als ihre hand sein gesicht berührt, steht er auf und sagt, daß es zeit ist zu gehen. "und mich nimmst du mit?", fragt sie. keinen anflug zweifel in ihrer stimmt. "nein. unsere zeit ist noch nicht gekommen", antwortet er mit schier unendlicher bewußtheit in der stimme. die er jedoch bereut, als sie dies mit einem verstehenden 'okay' kommentiert und ihr gesicht wieder von ihm abwendet. nach kurzem zögern öffnet er die balkontür und geht. jetzt nicht mehr siegessicher oder einfach nur müde. ein unheiliges durcheinander in kopf und bauch verläßt er die situation und schläft mit dem wunsch ihr wiederzubegegnen, baldigst, ein. "hier, siehts du?", seine stimme überschlägt sich ein wenig. und wird lauter zum ende hin. auf dem fernseher flimmert das standbild einer morgendlichen zdf-sendung über eine vernissage vom vorabend, in der mitte ihr profil in einer drehung des kopfes und dem schwenkt der kamera zum kronleuchter hin gefangen. "ja, das sehe ich. und es sieht aus wie ich. aber ich war nicht dort, gestern!", versucht sie zu rechtfertigen und zu besänftigen. "das ist doch verrückt!" seine stimme wieder ruhiger, aber ungläubig. "ist wie in der matrix, oder? ich schwöre es. echt!" die gesichter beider schauen nun wieder auf das flimmernde beweismittel für ihren verlust an zugang zur realität und das 'wie kann das sein?'-gefühl erstickt jeden weiteren protest. und das standbild ihrer außergewöhnlichkeit wirft die schatten ihrer sich wütend und dabei inniger als je zuvor liebenden körper. die lüge läßt ihre körper wieder eins werden, immer wieder. und keine bedenken, daß sie ihn über gestern tatsächlich belog, die fernsehsendung aber ebenso gespeist war mit aufzeichnung der letzten beiden jahre. beide hatten sie nie vorgehabt sich ineinander zu verlieben. hatten es nie getan. beide schätzten sie ihre freundschaft, das zusammen ausgehen und die gesellschaft, wenn kein potentieller partner einen von beiden abhielt. sie verbrachten fröhliche zeiten. und tiefe gespräche. teilten manche nacht nicht nur den schlaf miteinander. und doch kamen sie sich emotional nie näher als an diesem zweiten tag, an dem er ihr empfahl sich nicht in ihn zu verlieben und sie im mitteilte dies nie vorgehabt zu haben. sie trüg ihr haar wieder kürzer. fast so wie zu der zeit als sie von hamburg nach leipzig kam und ihm das erste mal begegnete. als er ihr nach mehreren jahren der begegnungen seine liebe gestand konnte sie nur mit lächelndem schweigen antworten. sie hatte je auch einen festen freund. endlich. so fanden ihre begegnungen weiterhin in tiefer beidseitiger liebe aber körperlicher distanz statt. nun, da sie heute an seinem grab stand, stellte sich ihr doch die frage, ob ein kuß damals nicht die bessere antwort gewesen wäre. geworfen und getroffen durch autor
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update: 2015-11-13 12:20 morgenauswurf ist jetzt ein gezeitenreiter projekt inhalte dieser webseite sind lizensiert unter creative commons. projekt: wiedererwachend... |