2010-07-13 14:21
der große segen
endlich waren die spiele vorbei. hanko ging die nun wieder leeren straßen seiner stadt entlang. den halbvollen kaffeebecher in der einen hand, die vuvuzeela in der anderen. es war still, es war nacht. und es war schon wärmer geworden. der sommer war dabei sich ankündigen zu lassen.
eine gute sache. die letzten wochen. sein geschäft hatte sich verzehnfacht. mindestens. das risiko lediglich verzweifacht. und letztendlich saß er jetzt nicht im gefängnis. das zählte. der müllbeutel mit euros unter der spüle seiner einzimmerluxuswohnung war nur der kleine anteil, den er sich erlaubte von der familie abzuzweigen. alle hatten davon profitiert. alle, die er mochte. seine söhne hatten ein neues fahrrad und wasserpistolen. die frauen trugen neue tücher, die alten konnten jetzt jahre durchrauchen ohne gedanken an nachkauf. seine einzige tochter konnte mindestens zwei jahre auf eine echte schule gehen. er verstand diesen traum zwar nicht, doch das war auch nicht seine aufgabe. das erste mal in seinem leben lehnte er sich innerlich zurück. urlaub. er begann zu ahnen was dieses wort bedeuten konnte. der gesang der letzten vuvuzeelas noch immer als dumpfer nachhall in seinen ohren. ein jahr zuvor, als klar war das sein heimatland die fußballweltmeisterschaft 2010 austragen würde, entschied er sich aus siera leone und aus dem wald wieder in seinen geburtsort & die angrenzende stadt zurückzukehren. es würde mit ein wenig vorbereitung hier genug ehrliche - mehr oder weniger - und vor allem weniger gefährliche arbeit geben, die zudem noch um ein vielfaches erträglicher ausfallen würde. und er würde nicht nur selbst mehr über die runden kommen. heute, ein jahr später, nachdem sich sein erfolg quasi überschlagen hatte, erinnerte er sich nicht mehr an jeden einzelnen der anstrengenden tage. nicht die des letzten jahres, keine der aktionen schienen im länger als ein paar stunden gedauert zu haben. und auch die zeit im djungel der afrikanischen kriegsgebiete waren auf einen schlag verblaßt. die tür stand offen zu dem kleinen verschlag seiner unterkunft. er holte den einzigen stuhl in seinem besitz aus der küche und stellte ihn vor die kleine welblechhütte und dreht sich einen dicken jonny. ausatmen. als richard seinen halbweißen arsch nach hause schleppte, die füße so unendlich müde, war sein herz noch eng. er war über den sommer zu einem reichen herrren geworden. wie nicht wenige seiner kumpel. und selbst einst verfeindete männer aus den anderen dörfern klopften ihm auf die schultern in dankbarkeit. er hatte es klug eingefädelt, nicht allein an der spitze zu stehen. die großen gebäude und das letzte der stadien zum glück lagen in seinem rücken. er wollte sie nicht mehr sehen. das township war schon eingeschlafen und er trottet auf müden füßen durch die straßen. als er vor seiner hütte ankam saß hank dort schon mit einer riesen tüte und grinste. "meine fresse", triumphierte er. "wer hätte das gedacht?" "na wir!" sprang richard ihm entgegen. "wir sind die wahren gewinner! kein vorrundenfiasko, yeah!" richard holte seinen eigenen stuhl raus. und die flasche mit dem braunen. ein bisschen zuppeln an der tüte und der flasche. das ende einer geplanten erfolgssträne feiern. "morgen noch", meinte hank. "und dann müssen wir loslegen. das letzte jahr war nur vorspiel, du weißt." keine frage in seiner stimme. richard zog den jonny einmal durch und ließ den kopf auf die rückenlehne sinken. sterne im augenwinkel. die letzten wochen vorrüberziehen lassen. übermorgen erst an übermorgen denken. vielleicht ein paar frauen, die man nun bezahlen konnte kommenlassen. und dann den zweiten teil des plans umsetzen, denn selbst dafür war alles bereits vorbereitet. hanks zweiter vater hatte die materialien besorgt. richards zwei große noch lebende brüder waren rumgefahren um den geeigneten ort zu finden für den bau. das war wohl nicht leicht gewesen, schließlich brauchte man enorm viel platz und was dort geschau durfte nicht zu sehr auffallen. nach einer weile stillen sitzens räusperte sich hank. "alles klar?" "innerhalb ausgeweiteter parameter. super könnte man auch sagen. nur den füßen...", keine klage in richards stimme. "in zwei tagen wieder fit für teil zwei, keine frage!" "ja, meinen auch", hank zwinkerte. "schau mal, der alte bortuga kommt sicher gleich raus" mit einem nicken zur gegenüberliegenden holz-blech-hütte. dort war das licht nun ausgegangen und das rythmische quietschen hatte geendet. beide lachten. richard reichte die flasche an hank und began noch einen jonny zu rollen. er war gerade damit fertig als der alte aus der tür kam und schnurstracks die kleine sandstraße überquerte, den eigenen stuhl in der linken. ein flasche selbstgebrannten in der rechten. "jungs", ein kommentar, der mit zwei ebenso knappen nicken erwiedert wurde. die männer tranken und rauchten in stille. alle wussten, was dieser abend bedeutete. es würde der letzte sein einer alten zeit in der sie geknechtet von armut ums überleben kämpften. bortuga hatte ihnen vor knapp einem jahr die legende erzählt. damals hatten sie gelacht und den alten kiffer aufgezogen. doch die geschichte war nicht in seinem kopf entstanden. kurz darauf begegneten hank & richard immer mehr hinweise und bestätigungen, sodaß es nicht lang dauert da sie sich mit dem alten in der nacht bei tüten und alkohol wiedergetroffen hatten um das ganze mal nüchtern anzuschauen und die fakten zu sammeln. "es ist doch nicht nur ein märchen", meinte bortuga. "ich war mehrfach in der hauptstadt gewesen und habe alte freunde an der universität beauftragt bei ihren kollegen vom meteorologischen institut nachforschung unter der hand anzustellen. und was meint ihr was dabei herauskam?" seine augen leicht spöttisch. "natürlich daß ich recht habe, genau!" hank nickte und richard versuchte eine verstehensbeweisführung. "klar. ist auch logisch, wenn man sich das einfach nur mal vorstellt. hier zur winterzeit blasen tausenden, millionen leute auf der ganzen welt, zeitgleich... also ich meine, schon das geräusch bei einem kleinen townshipturnier!" seine stimme überschlug sich leicht. die legende von den vuvuzeelas als regenmacher hatte irgendwann in den letzten hundert jahren von kolonisation und entreligiösierung durch den weißen mann und seiner wettergeisterverletzende art zu leben seine kraft verloren. zumal die angst der kriege und der entwicklungshilfegeschuldeten armut nun auch die letzten stämme entfremdet hatte. von allen sie umgebenden geistern. nur wenige alte wusste um die kommende zeit, da die legenden ungesehen wieder zum leben erwachen wollten. mussten. beschworen von der welt als gemeinschaft. nicht mehr bewusst dann. doch rochen bei einem solchen ereignis alle weißen das geschäft. und die weisen die vorboten der veränderung. es war klar, daß vuvuzeelas nicht mehr nur in der letzten wüste vor dem südpol geblasen werden würden. die regengeister würden erwachen. wie tausende von jahre zuvor. inzwischen saßen mehrer gruppen von männern wie die um hank auf der straße. man trank und prostete sich zu. wenn nicht alle, so waren doch die meisten von ihnen sich bewußt, das diese nacht die vorletzte sein würde in der man sich über den winter und seinen kläglichen regen freuen würde. in drei tagen würden alle von ihnen im lärm zwischen den baustellen sitzen und wissen: hier baut nun jeder sein boot in größter eile und sorgfalt. denn einen nächsten winter würde es nicht geben. keinen mit festem boden unter den füßen. nicht an dieser stelle. [tonspur: "the red white mixtape" von annett heitmann] geworfen und getroffen durch autorin
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update: 2015-11-13 12:20 morgenauswurf ist jetzt ein gezeitenreiter projekt inhalte dieser webseite sind lizensiert unter creative commons. projekt: wiedererwachend... |