2006-05-31 22:55
gelbbefleckte märzrosen

es ist unglaublich. wie schnell die zeit vergeht und wie wenig man dabei tut. oder wie oft man sich unterdessen selbst belügt.
zwei jahre wohne ich nun schon in dieser wohnung. da möchte man meinen ich hätte irgendwie einmal wenigstens angefangen etwas in ihr zu tun, außer zu schlafen, duschen oder fernzusehen. wenigstens einmal die eine oder andere umzugskiste zu verrücken. besonders wenn man bedenkt, dass ich fast ebenso lang vorher versucht habe dringend eine wohnung zu finden, mir also des bevorstehenden umzuges direkt bewusst war. ich meine, ich hatte es schließlich gewollt, geplant. und doch... kein farbtupfer streichelt das auge. keine sinnvollen oder weniger sinnvollen regalkonstruktionen hängen an der wand. nichts ist passiert.
bisher. jetzt fange ich an. versuche es zumindest. weil ich es nicht mehr ertragen kann durch diese wohnung zu streifen und keine lust mehr auf gar nichts zu haben, weil sie sich nicht nach zu hause sein anfühlt. nachts ist es besonders schlimm, wenn die zahnsteingelben laternen des nahen industriegeländes und der blaustichige monitor meine einzigen lichtquellen sind. dann bin ich nur noch zombie: bett – toilette – bett. aber jetzt wird alles anders.

es gibt gründe. im gesamtbild nicht wichtig, im einzelnen wie wasser, ohne das leben nie möglich wäre. aber dennoch: das tun ist der urgrund, die tat der weg. das warum verblasst wenn die zeit im umfang zunimmt und uns alle nacheinander – nein, nicht verschlingt – isst. sie kann sich ja zeit lassen, braucht nur zu warten auf unsere opfergaben. wir jünger eines abstrusen linearen verständnisses. gott ist eine gerade, deren anfang im abenddämmern und deren ende im morgennebel verschwindet.
und was hält mich noch im halbgöttlichen dunst der worte? immer wieder lege ich mich auf den seziertisch meiner vergangenheit in dem wissen, sie würde mich verbluten lassen, mich edlen spender ihrer jugend. ein beispiel ist sie für den technologischen menschen, der mechanisch nimmt ohne etwas brot für den sonntag zurückzulassen, wenn der supermarkt nicht geöffnet hat. es gibt ja noch die tanke, richtig? und das universum ist groß! aber daß wir noch immer keine anständigen boote bauen können um von diesem planeten, dieser insel im staubigen kalt, notfalls – und dieser notfall klopft geduldig nicht erst seit gestern bei uns an - herunterkommen zu können, hat er in seinem pseudo-religiösen wahn vergessen. nun ja...

doch mein weg ist erleuchtet. vom sich ankündigenden morgen. ich sehe. hell. nur in den augenwinkeln noch schatten des zweifels. den werde ich beim nächsten gähnen wegwischen. so ein kleines grau wird mich nicht...
aber, aber! eingeschlafen bin ich, denke ich noch. ich weiß, daß das stimmt. ich kenne diesen moment, wo ich glaube noch wach bleiben zu können, diese sich selbst einredende kontrolle, wo die augen wie gezeiten zwischen auf und zu und auf und zu wechseln. und doch will ich es akzeptieren. zuviel ist doch noch zu tun. heute abend, bevor es endlich losgeht. morgen. ja, morgen. auf dem neuen weg, mit neuem leben, weg von alten ufern um sie später, wenn die zeit für mich die reise beendet und für die ufer neue gesichter gemalt hat, erneut zu betreten, auf kolumbische art. wie einst wieder kind sein dann. und wenn nur noch wenig zeit bis zum ende bleibt wird der selbstbetrug auch nicht auffliegen.

lebenszeichen. kleine buchstaben und zahlen, die sich bewegen. grün auf schwarzem grund. ein leiser ton, der stille verursacht, bei jedem betreten des raumes. egal zu welcher tageszeit. ist es nacht hier.

allein, bewusstes einziges wesen dieser welt, trete ich über. immer wieder wechsele ich die dimensionen. just in diesem moment.
wenn dann mit dem vergehen der zeit, dem allen, die nacht tag und der tag nacht wird hat man was man immer ersehnte. man bekommt die andere seite der medaille, die zweite hälfte des kuchens. man lebt auf der rückseite des mondes, blickt voraus ins zurück. und man merkt, daß man es so nie haben wollte.

um zu beginnen muß ich noch ein paar sachen beenden. muß noch etwas vorarbeiten. den alten müll beseitigen. also aufwachen, bevor eine weitere nacht verloren ist.

der monitor springt von schwarz auf blau. ich erinnere mich wieder an meinen namen und gebe ihn in das dafür vorgesehen feld ein. dann öffnet sich die blumen und mir eine welt hinter der tür des cateringservices. doch ich bin müde. warum nur? mache ich nicht etwas gänzlich anderes? eigentlich. ja, eigentlich schon. aber so wie es ist, ist es leichter zu ertragen, weil es umso potenter unerträglich scheint.
durch die jalousie sehe ich wie die sonne ihre bronzefarbenen schwerter aus den dunkelblauen scheiden zieht. sie ist bewaffnet für dem neuen tag, ich habe nur meine unterhosen. und als ich mit dem blick eines fallenden wieder auf das blaue tor schaue, tanzen gelbe flecken vor meinen augen, die brennen. zeit für ein neues hintergrundbild.

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update: 2015-11-13 12:20 

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