2006-06-11 13:08
die geschäfte des rolf s.

rolf verkaufte pornofilme an kleine jungs. ohne hintergedanken. so war er nicht. er hatte schließlich eine wunderschöne frau. es war ganz einfach die lukrative und dennoch seine bequemlichkeit nicht mindernde alternative zum arbeitslosengeld.
das geschäft lief prächtig. inzwischen konnte er in fast allen deutschen groß- und kleinstädten in jeweils mehreren bezirken die schulen bedienen. eigentlich war er schon seit einiger zeit an den punkt gekommen, wo man nicht mehr weiter zu expandieren braucht, wo das vorhandene mehr als genug ertrag bringt für ein gehobenes bürgerliches leben. eigentlich.
es versteht sich von selbst, daß rolf inzwischen auch nicht mehr direkt an seine endkunden lieferte. ein paar der jungs, die er die ersten jahre schneller ins erwachsensein geführt hatte, waren zu großen jungs geworden und verstanden es prima an seiner stelle die waren an ihre jüngeren mitschüler zu bringen. rolf hatte einfach die inflationsrate rausgelassen, sodaß das was die zwischenhändler draufschlugen die zahlungsfähigen nicht verkleinerte. denn zahlungswillig waren die meisten, daß hatte er früher noch selbst erlebt, wenn der preis klein genug war für das taschengeld.
er hatte – in vielen jahren des eigenen videokonsums – ein ideales staffelungssystem für jungen von 8 bis 18 entworfen. das fing an bei netten low budget filmen aus den usa, die vorwiegend nette krimis, schlechte thriller oder fast made action waren und eine prise mehr an erotik enthielten als die filme, die man in diesem alter sah. darauf folgten deutsche schulmädchen-, bademeister- und ähnliche reporte, die er ende der achtziger von sat.1 aufgenommen hatte. danach gab es plagiate hamiltonscher weichzeichner-erotik, worauf bald holländische und italienische sexfilme (original ohne untertitel) aus der mitte der neunziger jahre folgten. mit den softpornos aus kanadas amateurszene versorgte er die frühreifen oder fast erwachsenen jugendlichen, die danach gern auch noch ein paar härtere videos aus dem ostblock kauften.
dabei war sein ganzes angebot legal zu kopieren, entweder weil es einfach fernsehaufnahmen oder irgendwelche privatvideos waren oder weil es lizenzfrei aus dem ausland kam. er hatte nie gegen das urheberrechtsgesetz verstoßen. das machte es auch so lukrativ: er verkaufte nur selbstkopierte videos. keine offiziellen kaufkassetten. und seine zwischenhändler hatte selbst auch keine zwei videorekorder um ihm das geschäft zu vermiesen.

doch es gibt immer einen punkt, wenn man geschäfte macht – welcher art auch immer sie sein mögen -, an dem man aufhören muß. manche verpassen diesen punkt und manche erkennen ihn und hören rechtzeitig auf. bei rolf traf beides zu.

als er den frühstückstisch abräumt und seiner frau hinterherschaute, wie sie durch die wohnungstür zu ihrer arbeitsstelle verschwand, wußte er, daß die zeit gekommen war. er hatte genug beiseite gelegt, damit sie den rest ihres lebens mit ihrem gehalt und seinen rücklagen gut leben konnten.
er schaltete das radio ein und beschloss folgendes: in der nächsten woche würde er mit den restlichen kopien – klassisch schwarze kassetten, die nur mit einer zahl versehen waren – einmal durch ganz deutschland fahren und sie unter letzter wiederholung seiner verkäuferregeln an die größeren jungs zu verschenken. es schien ihm wichtig es so zu tun, weil in zeiten aufkommender jugendkriminalität, die sexualität dort nicht mit hineinfallen durfte. seine videos waren keine drogen und billig genug um die jungs nicht zu ruinieren und dann auf abwege kommen zu lassen. sie waren schritte auf dem weg zum mannsein.
den zweiten rekorder würde er heute noch zum a&v bringen, beschloss rolf als er den morgendlichen abwasch beendete. vorher noch die post durchsehen, vielleicht gab es in der stadt noch etwas mehr zu erledigen, und unter die dusche springen.
also schnappte er sich den briefkastenschlüssel und ging vor das haus. die tageszeitung und ein nicht-adressierter briefumschlag, den er im ersten moment für werbung gehalten hatte, fielen ihm in die hände, bevor er die klappe wieder verschloß. er grüßte ein vorbeikommendes paar in grau, klemmte sich die zeitung unter den arm und öffnete den briefumschlag. er lächelte, es war ein brief seiner frau. mit einer liebeserklärung und einem rätsel. trotz dem alter ihrer beziehung, hatten sie beide sich mit solchen dingen in der liebe immer jung gehalten. rolf runzelte die stirn. "einem rätsel also, hmh..."

er schloß die tür hinter sich und nahm nur nebenbei war, daß inzwischen eine gute stunde vergangen war, weil das radio erneut nachrichten brachte.
das klingeln an der tür lenkte ihn von des rätsels lösung ab. so kniffelig erschien es ihn nicht, doch seine ideen erfüllten nie ganz den anspruch der zeilen seiner frau. noch immer ein wenig in gedanken öffnete er die tür.
das radio berichtete gerade von der ermordung eines zwölfjährigen durch einen 17-jährigen mitschüler an einem gymnasium in kassel, als er vor seiner tür das von ihm gerade noch gegrüßte paar in grau erkannte. sie lächelten nicht als sie seinen namen nannten. er nickte.
"der grund, den der täter angab, waren schulden des jüngeren mitschülers, aus geschäften mit sexvideos..." rolf zog seinen kopf unwillkürlich tiefer zwischen seine schultern.
"wer sind sie?", fragte er die beiden vor seiner tür, ahnend er würde es eigentlich nicht hören wollen.
"finanzamt", rolfs gehirn erstarrte zu eis.
"uns ist aufgefallen, daß ihre lebensweise in keinem angemessenen verhältnis zum alleinverdienst ihrer frau steht", antworteten beide mit gleichen monotonen stimmen wie im chor als rolf plötzlich die lösung des rätsels wie schuppen von den augen fiel.
"wir bekommen ein baby..." murmelte er und starrte die beiden beamten voller geballtem unglauben an.

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